Da saund of music

Inspiriert vom Film über die singende Trapp-Familie, „The Sound of Music“, erlaubt die schallundrauch agency Jugendlichen einen tiefen Blick in die heimische Kultur. Unter der Leitung von Gabriele Wappel und Janina Sollmann ist ein schräger, humorvoller, neuer Heimatfilm entstanden. Frank Poelstra hat das Team ermunternd beraten.

Die überzuckerte Geschichte von der kinderreichen Familie des Baron von Trapp, die vor den Nazis in die USA geflohen ist und dort mit ihrer Stiefmutter, der ehemaligen Klosterschwester Maria Augusta, als Chor das Publikum eroberte, ist hinlänglich bekannt. In den späten 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts eroberte der nach dem Musical von Richard Rogers und Oscar Hammerstein entstandene Spielfilm „The Sound of Music“ Amerika und prägte mit Edelweiß und Sonnenschein ein süßliches Österreichbild. Noch rührseliger als der zehn Jahre ältere in Deutschland entstandene Film „Die Trapp Familie“ (Wolfgang Liebeneiner / Gustav Holt / Ruth Leuwerik) verbreitete das Filmmusical mit Julie Andrews als Maria ein liebliches Bild, das auch heute noch in den Köpfen mancher BesucherInnen spukt. Bemerkenswert ist, dass Rogers, vor allem aus urheberrechtlichen Gründen, kein einziges Original-Lied verwendet hat. Die gesamte Musik, auch der bekannte „Edelweiß“-Song, stammt vom Komponisten Rogers. Die Trappfamilie selbst hat keine Note jemals gesungen.

Von der Diskrepanz zwischen Klischee und Wirklichkeit gehen die Mitglieder der schallundrauch agency aus, um den rosafarbenen Lack abzukratzen, nach ihren eigenen Wurzeln zu suchen und authentische Geschichten zu erzählen. In kurzen Clips wird das Publikum auf unterhaltsame Weise – erzählend, spielend, singend, tanzend – bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts geführt. Die fünf DarstellerInnen schöpfen aus der eigenen Familiengeschichte.

Für die schallundrauch agency geht es nicht nur um das Was sondern auch immer um das Wie und das verzichtet auch bei ernsten Themen nicht auf Humor und Fröhlichkeit. Da darf das Schnitzel auftreten und sich auf offener Bühne blitzartig in Maria Trapp verwandeln, da ertönt die Posaune und das uneheliche Kind der Bauerntochter ist eigentlich ein grässlich heulender Kanarienvogel. Und wenn der Darsteller des grobschlächtigen, autoritären Familienvaters (Simon Vosecek, zugleich für die Musik zuständig) die Rolle nicht mehr spielen mag, muss eben die ängstliche Mutter (Sollmann) den Widerling geben.

Immer wieder kippt die Erzählung in performatives Chaos, die Bühne (Bild von Michael Haller) wird zum Misthaufen und wird nebenbei flott wieder aufgeräumt, mit blödem Blick und bimmelnder Glocke trotten die Schafe umher, doch wird die Meute losgelassen, stürmt sie ungebremst in den Zuschauerraum. Der anarchische Tumult, das Hüftgewackel zur mit unbekümmertem Dilettantismus gespielten Musik macht den DarstellerInnen so viel Freude, dass die Performance mitunter überdehnt zum Selbstzweck wird. Was das jugendliche Zielpublikum sicher in keiner Weise stören wird.

Mit Professionalität, Spielfreude und Authentizität findet die, für das Stück „6“ heuer mit dem STELLA Award ausgezeichnete, Company einen direkten und intelligenten Zugang zu ihrem Publikum. Seien es Kinder unter zehn oder, wie diesmal, Heranwachsende ab 13. Dass die beiden Agency-Leiterinnen, Wappel und Sollmann, auch auf der Bühne das Heft (oder das Strickzeug) in der Hand haben und ihre rasant wechselnden Rollen in Mimik und Gestik überzeugend nahe bringen, lässt diese bewegte Stunde auch Erwachsene genießen.
Ditta Rudle
18.10.2012, © www.tanz.at



Schnitzel, Edelweiß und Hirschgeweih-Luster
"Da Saund of Music" spielt mit Klischees aus dem Film mit ähnlich klingendem Titel

Ein Mordstrum Hirschgeweih-Imitat-Luster an der Decke, Leitern, Hocker und auf einem Notenständer im Vordergrund das Notenheft „The Sound of Music". Es kommt noch dicker. Als Schnitzl und später als Edelweiß verkleidet feiert übrigens Silvia Auer ein grandioses Bühnendebut. Seit Jahrzehnten agierte sie bislang bei verschiedensten Theater-und Tanzproduktionen professionell im Hintergrund. Auch hier ist sie „nebenbei" für technische Leitung und Lichtdesign verantwortlich. Klischees über Österreich – eingepackt in DEN Film, DIE Story, die in vielen Teil der Welt das Bild der Alpenrepublik prägt ist „Da Saund of Music" von und mit der schallundrauchagency natürlich eine schräge Tour. Erster Bruch gleich mit dem Auftritt der Spieler_innen, Tänzer_inen, Live-Musiker_innen: Mit E-Gitarre, Akkordeon und Ukuleles verfremden sie Songs der Familie Trapp. Und sorgen schon da für die ersten Lacher. Solche „provozieren" sie unweigerlich immer wieder im Verlauf der einstündigen Performance.

Legende und Geschichten
Erzählen hernach ein bisschen aus der Legende der Musik-Familie, die auch bei den Salzburger Festspielen auftrat und in den USA Zuflucht suchten, als die Nazis auch in Österreich die Macht übernommen hatten. Kreuzfidel mit Rucksackerl seien sie über die Alpen geflüchtet – so zeigt`s der berühmte Film. Aber... ...eher abläuft, das erzählt Šimon Voseček in Erinnerung ans angstschweißgebadete Überqueren der Grenze der damaligen Tschechoslowakei in den Westen.

Überspitzungen
Wie`s vielleicht auch wirklich in einer patriarchalen Trapp-ähnlichen Familie zugegangen sein könnte zeigt eine andere Szene. Weitere Aspekte, beinahe schon Heiligenbilder dieses Mythos verknüpfen immer wieder einzelne der Bühnenakteur_innen mit Erlebnissen im eigenen Leben und dekonstruieren auch so Klischees. Mitunter auch „nur" durch Übertreibung wie den „Almauftrieb" mit einschlägigem Kuhglockengeläut des Trapp-„Edelweiß"-Lieds zum Leucht-Edelweiß.
Heinz Wagner, Kurier, 17.10.2012