Das Orakel von schallundrauch

Sind Vorhersagen "nur" Schall und Rauch?
Schräges, witziges, musikalisch höchst interessantes Spiel um Vorhersagen: "Das Orakel von schallundrauch" - Für Kinder ab 8 Jahren im Dschungel Wien

Wie frisch aus der Dusche mit gewaschenen in ein Handtuch gewickelten Haaren taucht die Schauspielerin auf – und das zwischen einer mit einigen Instrumenten aber schon ein wenig schräg angeräumten Bühne. Noch schräger ist die Story, die sie wie so nebenbei zum besten gibt: Vor 3000 Jahren im Lotto gewonnen – eine Mittelmeerkreuzfahrt. Großer persönlicher Empfang, dann aber drei Wochen als einziger Gast an Bord. Das heißt nicht die ganze Zeit, an einem Samstag bringt ihr der Kapitän Gesellschaft an den Tisch: Eine Forelle, die nicht und nicht aufhört zu quatschen… Abgang.

"Ich sehe schwarz..."
Neuer Auftritt – völlig verkleidet – sie, genannt Friederike von Delphi. Und den Orakel-Assistenten Laurentius Michael Eugen Rainer, der sich vor allem als Live-Musiker betätigt – unter anderem auf einem großen 27-saitigen (alle gleich gestimmt) Monochord und nicht zuletzt mit seiner Obertonstimme. Im flotten, abwechslungsreichen, vor allem immer wieder überraschende Wendungen nehmenden Spiel Das Orakel von schallundrauch greift das Duo viele Formen und Methoden von Prophezeiungen und Weissagungen auf. Schwarzes Pulver, das an Kaffee erinnern soll, wird in ein Glasgefäß mit Wasser geschüttet – „ich sehe schwarz, es geht abwärts….“

Perspektivenwechsel
Erschütterungen – auch zu solchen kommt es im Verlauf des Stücks – ein bewegender Perspektivenwechsel (in den das Publikum einbezogen wird, weshalb darüber nicht mehr verraten werden soll), sowie überraschende Auftritte der Forelle bereichern die ziemlich witzige, (gewollt) verstörende Mischung aus Schauspiel, Performance und Live-Musik. Letztere erfolgt übrigens mit teils wenig bekannten Instrumenten.
Der Musiker outet sich als Stier im Sternzeichen, darauf sei er aber erst spät draufgekommen, lange habe er gemeint, Jungfrau zu sein. Zwischendurch wird die Legende von Ödipus erzählt, dem vorhergesagt worden sein soll, den Vater zu töten und die Mutter zu heiraten. Daraufhin versucht er sein Leben lang, genau das zu vermeiden. Und patsch, genau das passiert den drei Beteiligten. Weshalb das Orakel die sich aufdrängende Frage stellt, ob Vorhersagen dann denn überhaupt Sinn hätten.

Schüler baute Orakelmaschine
Übrigens: Eine „Orakel“-Maschine steht vor dem Eingang zum Theatersaal. Geplant und gebaut wurde sie von Patrick Kienast, einem Schüler der HTL Mistelbach. Die Theaterleute fragten in der Schule, ob jemand eine Idee hätte, eine zu diesem Stück passende Maschine zu bauen. Kienast und zwei weitere meldeten sich, er blieb dabei. „Wichtig war mir, irgendwas Interaktives zu machen. Zuerst hab ich an einen Münz-Wurf-Apparat gedacht, aber eine Münze ist zu klein, so bin ich auf einen Würfel gekommen.“ Ausgehend von seinem Gedanken plante, konstruierte und baute der Schüler der 4. Klasse HTL mit medizintechnischem Schwerpunkt das Gerät, bei dem per Tastendruck die Bodenplatte geschüttelt und der Würfel hochgeschleudert wird. Um der Maschine einen High-Tech-Anstrich zu verpassen, brachte Patrick Kienast ins Gehäuse etliche Platinen und anderen Elektro-Schrott am Gehäuse an, denn, so die Vorgabe der Theatergruppe, „das Gerät sollte trashig“ wirken oder wie’s andere nennen nach „Steam punk“ aussehen.

Auch wenn der zweite Teil des Titels schon (mehr als) ein bisschen die Richtung der nicht ganz einstündigen Performance für Menschen ab 8 Jahren andeutet, er war schon lange vorher da. „schallundrauch agency“ heißt die freie Gruppe, die seit fast zehn Jahren Tanz- und Performance-Theater für Kinder und Jugendliche produziert. Was will uns die Welt sagen?!
Ausgangspunkt für das Orakel, so agency-Leiterin Gabriele Wappel, die erstmals nicht selbst auf der Bühne in Aktion tritt, war die Frage, „was will uns die Welt damit sagen, dass sie im Vorjahr nicht untergegangen ist?“

Heinz Wagner, Kurier, 10.10.2013


Das Orakel von schallundrauch

Hast du Angst vor der Zukunft? Fühlst du dich manchmal unsicher in deiner Haut? Bist du manchmal einsam? Vor dem Einschlafen und am Weg zur Schule kommt man oft ins Grübeln. Wenn einem nichts zu Spielen einfällt oder wenn man sich nach wen sehnt, kann einem mulmig werden.
Am Liebsten würde man dann ja ein Orakel fragen, warum alles so ist wie es ist und wie es einmal werden wird. Am Liebsten würde man alles unter Kontrolle haben und zb nebenbei schnell mal den Tod wegzaubern. Am Liebsten würde man Kaffeesud lesen und Sternzeichen deuten um mehr Sicherheit zu bekommen in dieser Welt – in unserem Leben. Rituale erfinden, auch wenn sie sinnlos sind? Mit einer lebensgroßen Forellen palavern, die nur mir anwortet und den sonst niemand sehen kann? So eine Forelle kann ein guter Freund sein, aber wenn sie eingebildet ist, wird sie irgendwann wegschwimmen – spätestens wenn man sie und das Orakel und die Wahrsagemaschine und alles das nicht mehr braucht. Vielleicht schaut sie ja auch mal wieder vorbei, wenn man seiner Fantasie freien Lauf läßt und grad richtig viel Spass am Leben hat. Denn man kann genauso viel Spass haben, wie man Angst hat. Manchmal muss man nur die Seiten wechseln.

Laurenzius Rainer und Janina Sollmann heißen die wunderbaren DarstellerInnen dieses Kinderstücks ab 8 Jahren. Beide bringen ihre Charaktäre sympatisch und nahbar rüber. Vor allem Janina hat durchgehend den Schalk im Auge und spricht eine Bühnensprache abseits vom Burgtheatergekünstel und Am Dam Des-Gejaule, was mich schon nach den ersten paar Repliken erleichtert aufatmen läßt. Wenn sie auf der Burg spielen würde, würde ich vielleicht auch dort wieder hingehen.
Aber ich könnte sie mir auch in einer Filmproduktion mit viel Tiefenschärfe vorstellen – sie gehört meiner Meinung nach zu den paar wenigen, leider noch unentdeckten, Charakterdarstellerinnen Österreichs.

Das Orakel von schallundrauch hätte man wohl auch etwas dichter gestalten können – weniger Atempausen. Der Stoffwechsel von Kindern pumpt immerhin um einiges schneller, als der von uns Großen. Aber das freudenvolle Abtanzen zur dänischen Eurotrash-Ulk-House-Nummer `What does he fox say´ und das erquickende Entführen des Publikums auf die Bühne gegen Ende des Stückes und natürlich die mannsgroße Forelle haben mich voll und ganz für die Latenzen zwischendurch entschädigt.

23.10.2013, © http://www.familierockt.com