Gabi, der Unfall, das Glück und die Milbe

Krankenhaus kann lustig sein! Man lernt nie aus.

„Gabi, der Unfall, das Glück und die Milbe“ bietet 50 Minuten Unterhaltung nonstop. Und das, obwohl ein Unfall, das Krankenhaus und Milben darin eine große Rolle spielen. Gabriele Wappel und Sebastian Radon erzählen im Dschungel Wien Kindern ab 8 eine wahre Geschichte.
„Ich kenne Geschichten von Gabi, das glaubt ihr nicht! Eigentlich darf man die ja nicht erzählen, wenn sie nicht da ist. Das ist aber jetzt auch egal.“ Und mir nichts dir nichts erzählt Simi (Sebastian Radon), dass Gabi einen Horror vor Milben hat. Und er plaudert das aus, während Gabi aufs Klo musste. „Gabi, der Unfall, das Glück und die Milbe“ ist das neueste Stück der schallundrauch agency für Kinder ab 8. Im Dschungel ist es erst einmal bis Ende Juni zu sehen. Gabriele Wappel erzählt dabei nicht irgendetwas, sondern eine Geschichte, die sie selbst, Gabi, erlebt hat. Als sie noch in die Schule ging und mit ihrer Klasse nach St. Johann in Tirol auf Skikurs fuhr. Und da es ihre eigene Geschichte ist, muss Simi eben alle anderen Rollen übernehmen. Frau Lehrerin Heiss, Frau Lehrerin Engel, einen Mathematiklehrer, einen Rotkreuzfahrer, Krankenschwestern, einen Arzt, Frau Gruber, eine Milbe, die Mutter und, und. Aber er macht vor allem eins: Eine coole Musik. Da gibt´s einen Arzt-Song, einen Mond-Song, da gibt es einen Song der singenden Milben und nicht zuletzt ein Nonsens-Lied mit Milben, Staub, Fröschen und Laub, das aber dann wieder gar nicht so dumm ist.
Zwischen der Geschichte von Gabi, die sich zum größten Teil im Krankenhaus abspielt und den vielen Liedern von Simi kommt noch eine ganze Menge an nützlichem Wissen ins Spiel. Warum sehen wir den Mond immer nur von einer Seite? Was sind Spiegelneuronen? Welche Aufgabe hat eine Milz? Wer sich jetzt fragt: Und das soll unterhaltsam sein? Dem sei gesagt: Und wie! Denn die beiden Freunde imitieren Planeten, Blutkörperchen, tanzen zum Gaudium aller die Originalchoreografie von „Schafensee“ und zeigen, dass Spiegelneuronen eben nichts Anderes können als alles nachmachen.
Ganz nebenbei wird erklärt, wie die Vorbereitungen zu einer Operation laufen und was man die letzten Minuten zuvor alles so erleben kann. Und dass ein intravenöses Frühstück gemeinerweise nicht aus Semmerln und Marmelade besteht. Gabriele Wappel, die gemeinsam mit Sebastian Radon das Stück entwickelte und auch die Regie übernahm, gelingt dabei ein ganz großes Kunststück. Sie verpackt das Thema Krankenhaus so federleicht, dass sich niemand, aber auch wirklich niemand davor fürchten muss. Und das, ohne Schönfärberei. Denn Spritzen pieksen nun mal, au! Und eine längere Zeit liegen müssen kann ganz schön langweilig sein.
Dass sich dabei auch die Erwachsenen köstlich amüsieren können, zeigte die Reaktion des größtenteils den Kinderschuhen entwachsenen Publikums am Premierenabend. Bravo rufen und gehörig auf den Rängen trampeln können eben nicht nur Kinder, wie man erleben durfte.
P.s. Wer es im Juni nicht mehr schafft, hat im Herbst noch Gelegenheit, sich köstlich zu amüsieren und gleichzeitig viel zu lernen. Was das alles mit Glück zu tun hat? Das muss man schon selbst herausfinden.

European Cultural News, Elisabeth Ritonja, 25. Juni 2015

Von Mond nach Milbe

Gabi, also eigentlich Gabriele Wappel als Kind, hatte einen Skiunfall. Auf Klassenfahrt. In Tirol. Deswegen steht sie, also Gabriele Wappel, jetzt da und erzählt davon. Die Narbe auf ihrem Bauch, weil die gibt es nämlich wirklich, ist längst schon verheilt, das lange Liegen im Bezirkskrankenhaus Sankt Johann in Tirol nicht vergessen. An zwei Haken wird auf der Bühne ein Polster befestigt und Gabriele Wappel legt sich hinein in die Erlebniswelt von Gabi. Sebastian Radon, aka Sebi, „is alle anderen im Stück“, also der Lehrer, die Mutter, die Freundinnen und die „besten Ärzte von Tirol“. Die verschieben den so herbeigesehnten Tag der Entlassung immer wieder nach hinten, schließlich musste Gabis Milz geklebt werden. Und wer lange liegt, der kann sich viel denken, der kann sich viel ausdenken. Von der Teilchenbeschleunigung der Zimmernachbarin über das Verhältnis von Sonne, Mond und Erde bis hinüber zu einem Ballett namens Schafensee und der Beschaffenheit von Hausstaubmilben.
Die beiden Performenden sprechen das Publikum ganz konkret an, sagen hallo, erzählen eben diese Geschichte. Kippen daraus in alle möglichen quer und quam laufenden assoziativen Spielsituationen hinein. Die Übergänge zwischen den einzelnen Ideen sind immer wie notwendig, nie angestrengt und stets komisch. Innerhalb dieser Bilder ergibt sich ganz nebenher ein Informationsfluss, da wurde recherchiert, von Mond nach Milbe eben. Die tänzerischen Elemente sind mitten in die Situationen hineingebettet. Wenn zum Beispiel plausibel gemacht werden soll, wie eine Infusion Nährstoffe ins Blut trägt, dann natürlich tanzt Gabi, bis der Arzt sie wieder ins Bett beordert. Die Assoziationskette läuft, die Infos fließen, die Bilder machen Lachen und das ganze wird auf Wienerisch vollbracht. Das ist eine große Einladung auf eine Reise von Mond nach Milbe und die Fahrt, die glückt.

jungekritik.com, Theresa Luise Gindlstrasser, 25. Juni 2015

Selten so über Unglück gelacht

"Gabi, der Unfall, das Glück und die Milbe" - eine wahre Geschichte, authentisch und sehr witzig spielerisch erzählt.

Der Kern – eine wahre, echt arge Geschichte. Und doch musst du über weite Strecken lachen. Sehr viel und herzhaft sogar. Das ist das neueste Stück der „schallundrauch agency“ mit dem kurios anmutenden Titel „Gabi, der Unfall, das Glück und die Milbe“.
Die Gabi heißt auch wirklich so. Gabriele Wappel ist Mitgründerin der Tanz-, Theater- und Performancegruppe. Und wie in einigen anderen Stücken der Gruppe erzählt sie hier authentisch eine erlebte Geschichte. Auf Schulskikurs in Tirol stürzte sie so unglücklich, dass sie mit dem Bauch auf einen der Stöcke aufprallte, ins Krankenhaus musste und dort sofort operiert werden musste. Milz-Riss. Zum allerersten Mal in diesem Krankenhaus wurde eine ziemlich neue Methode – „kleben“, statt entfernen – angewandt. Knapp dem Tod entronnen.
Dieses Glück im Unglück durchzieht – nicht nur – dieses Stück. Lebensfreude pur. Die auch manch gsch... Momente im Leben schnell in den Hintergrund treten lässt.
Die – vielleicht im einen oder anderen Detail überdrehte – Schilderung realer skurriler Momente im Krankenhaus provoziert beinahe automatisch Schmunzeln bis Lachen. Aufgrund des notwendigen chirurgischen Eingriffs kann die junge Patientin natürlich nicht normal essen, sondern muss künstlich intravenös ernährt werden. „Frühstück!“ wirkt da dennoch ziemlich schräg. Oder, dass alle Verwandten zum Besuch Schokolade mitbringen, wo sie doch nichts Echtes essen kann. Oder real nicht selten vorkommende „humorige“, für Patient_innen aber zynisch wirkende, Sprüche medizinischen Personals knapp vor der OP. Die Angst durch die Narkose gar nicht schmerzfrei zu werden, weil du noch genau zählen kannst, wie viele Lampen die Deckenleuchte im Operationssaal hat.
Oder dass der Lehrer einen Brief schreibt, in dem er Gabi wünscht, dass sie doch hoffentlich schon bei der nächsten Schularbeit schon wieder in der Schule sein kann.
Zu den realen schräg erzählten Begebenheiten gesellen sich (Fieber?)Träume über die Bettnachbarin im Spital und ihre rote (Wärme-)Lampe. Ob sie nicht doch eine Außerirdische ist? Von da bis zur Bewegung der Himmelskörper Erde und Mond ist es ebenso nicht weit wie zur Philosophie über „schwarze Löcher in meinem Zimmer“.
Gabriele Wappel hat in der Erzählung ihrer Geschichte mit Sebastian „Sebi“ Radon einen kongenialen Partner für dieses Stück gefunden, der ansatzlos einmal Spitalsbett-Nachbarin, sämtliche Lehrerinnen und Lehrer, alle Verwandten und nicht zuletzt Schafe gibt. Wie Gabi selbst auch – weil sie ja Schäfchen zählen muss um beim Schnarchen der Bettnachbarin vielleicht doch einschlafen zu können.
„Sebi“ sorgt auch live auf der Bühne für coole Soundeffekte und Lieder – mit ziemlich schrägen Texten, beispielsweise gegen Ende: „wir alle haben Milben, nur manche reiten auf einem Pferd...“.
Die Pölster„hemden“, die aus den beiden Schafe machen, sind in einer anderen Szene auch verschneite Tiroler Bergspitzen!

KinderKurier, Heinz Wagner, 25. Juni 2015