Gott und die Welt

Über Gott und die Welt

Worüber reden Freunde, wenn sie zusammenkommen? Über Gott und die Welt und kommen dabei gerne vom Hundertsten ins Tausendste.

Gabi Wappel von der „schallundrauch agency“ ist es gelungen, ein Stück für Kinder ab 6 auf die Bühne des Dschungels zu bringen, in dem über gaaaaanz viel geredet wird, über Gott und die Welt eben. Und das ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen.

Denn sie selbst, René Friesacher, Elina Lautamäki und Martin Wax erzählen nicht nur von diversen, meist humorigen Kindheitserinnerungen, sondern auch von ihren Ausflügen und Erkundungen der monotheistischen Religionen und des Buddhismus in Wien anlässlich der Stückvorbereitung. Sie überlegen sich, wie man mit Gott Kontakt aufnehmen kann, was sie selbst an Gottes und Göttinnen Stelle alles unternehmen würden und berufen sogar ein Konzil ein. Mithilfe des Publikums wird dort über so schwierige Fragen demokratisch abgestimmt wie jener, ob René, wie er behauptet, wirklich Gott gesehen haben kann, ob Gott schwimmen kann, am Anfang wirklich der Urknall stand oder das Butterbrot immer auf die Butterseite fällt.

Keine einzige Minute, in der das Quartett auf der Bühne agiert, ist langweilig oder theoretisch. Da wird Tante Käthe, die immer wusste, wo es die meisten Schwammerl und Blaubeeren im Wald gab, mit einer rot karierten Decke hervorgezaubert. Da ist Gabis kräftig gebaute Oma mit einem grauen Wollplaid präsent und auch ihr Opa nimmt in Form eines Gestockes am Geschehen teil. Der Kater Iwan darf nicht fehlen, unter dem sich Gabi aus ihrem Bett schälen musste, wollte sie nachts das Klo besuchen. Und – selbstverständlich wird gesungen, getanzt, gegroovt und geklatscht, dass die Kinder dabei zum Teil vor Freude quietschen. als ob das alles nicht genug wäre, treten die vier auch noch zu den epischen Klängen der Filmmusik von Robin Hood als Retter und Retterinnen unserer Welt auf. Mit fliegenden Capes, auf denen das Peace-Zeichen aufgemalt ist, verwandeln sie dabei das Theater in eine Super-Dolby-Surround-Manege, dass einem die Luft wegbleibt.

„Gott und die Welt“ ist zum einen ein wunderbares Beispiel, dass unterschiedliche Glaubensanschauungen völlig friktionsfrei nebeneinander bestehen, gelebt und diskutiert werden können. Und zum anderen zeigt das Team auch auf, was modernes Kindertheater par excellance ausmacht: In ihm werden lebendige Geschichten aus dem Alltag in einer perfekten Taktung erzählt und die Kinder miteinbezogen. Eine leicht fassbare Musik mit Ohrwurmcharakter und Tanzeinlagen – bis hin zu einem auf der Spitze getanzten Solo von Martin Wax – und nicht zuletzt jede Menge Humor machen das Theaterereignis zu einem Erlebnis.

Michaela Preiner, European Cultural News, 22.09.2017


Gott, die Welt und der Rhythmus

Mit zwei Uraufführungen startete der Dschungel Wien – das Theaterhaus für junges Publikum – in die Spielsaison 2017/18, bei denen sich zwei unterschiedliche Gefühlswelten auftaten.

Quasi im Vorabendprogramm wurde das Stück „Gott und die Welt“ (6+) von schallundrauch agency gezeigt, danach ging im Hauptabendprogramm das rhythmusbetonte „Groove!“ (13+) von Theater foXXfire! über die Bühne.

Jesus die Zunge zeigen

Unter der gekonnten Regie von Gabriele Wappel – sie steht auch gemeinsam mit René Friesacher, Elina Lautamäki und Martin Wax auf der Bühne – breitet sich hier ein ganzer Kosmos an Einfällen und Witzigkeiten für Kinder ab 6 Jahren aus. Kosmos? Nein, keine staatliche Ordnung, Verfassung, sondern eher eine ganze Kosmologie, also die Lehre von der Welt. Das will nämlich hinterfragt werden, wie das alles begann und wo das alles enden soll und warum Gott immer einen Bart hat und nicht auch einmal eine Frau sein kann. Und wenn Papa sagt, Gott ist tot, ist er dann ein Philosoph oder hat er diesen Gedanken von jemandem geklaut? Darf man auf Gott so böse sein, dass man mit ihm eine Woche oder länger nicht spricht und darf man Jesus die Zungen zeigen? Ja, es gibt viele Fragen und wir kennen nur bedingt Antworten beim Thema Religion und Glaube. Aber: Das Stück verheddert sich weder in rein geistlichen Themen noch wird einer bestimmten Glaubensrichtung der Vorzug gegeben. Der Titel des Stücks ist Programm, und wenn es schon „Gott und die Welt“ heißt, so spricht man in diesen äußerst kurzweiligen 60 Minuten auch dementsprechend über alles und nichts.

My God is great, my God is good / but don’t waste His time

Das großartige Schauspiel-Quartett bezieht die Philosophiererei und Traumerzählungen aus Eigenerfahrungen, erzählt bestens aufgearbeitet für die Altersklasse 6+ Anekdoten über Opa, Oma, Mama, Papa, aber auch über die Katze, über Nachbarn und Freunde. Die erste Liebe. Haare im Kakao. Dem jungen Publikum gefällt all das, was es zu hören und sehen bekommt, quietscht und lacht vergnügt. Das Quartett punktet mit Spielfreude und großer Schauspiellaune, mit live dargebrachten Ohrwurm verdächtigen Gospel-Songs und mit allerlei Sprachwitz. Ohne jemals den roten Faden zu verlieren bestimmen Überraschungen und Wendungen den Handlungsverlauf. In „Gott und die Welt“ darf jede/r glauben, was sie/er will. Das junge Publikum (und freilich nicht nur die) erfahren im Stück dann auch, dass jeder Mensch an irgend etwas glaubt. Und das stimmt ja auch. Ich z.B. glaube, dass Jesus nur deshalb übers Wasser gehen konnte, weil er wusste, wo die Steine sind. Dass die vier Schauspieler, die auch gemeinsam das Stück entwickelten, mit der Abhaltung eines Konzils [Versammlung einer Kirche, bei der in der Regel die bischöflichen Gewalten Lehre, Leitung und Heiligung besprochen werden; Anm.] mit Hilfe des Publikums eine super Pointe für ein Ende fanden, war letztendlich das i-Tüpfelchen für ein Theaterstück, das mit spielerischer Leichtigkeit des Seins das kleine und große Publikum zu überzeugen verstand. Große Begeisterung. Noch mehr Applaus.

So geht Rhythmus

So vergnüglich und herzerwärmend der erste Teil des Abends mit „Gott und die Welt“ vonstatten ging, so redundant und enttäuschend entpuppte sich das zweite Stück, „Groove!“, in dem es um Rhythmus geht. Alles ist Rhythmus und alles hat Rhythmus, sogar eine U-Bahn. Ja, eh. Im allgemeinen musikalischen Sprachgebrauch heißt Rhythmus der formbildende, durch Notenwerte wie auch Akzente ausgedrückte Wechsel von leichten und schweren Teilen eines gegebenen Taktes. Unter der Regie und musikalischen Leitung von Richard Schmetterer entstand so – obwohl es nur 60 Minuten dauert – ein Stück, das sich locker auf die Hälfte der Spieldauer reduzieren ließe. Festzustellen war nämlich eine deutliche Handlungsarmut bzw rhythmische Vorhersehrbarkeit ohne zündenden Groove. Da half das Schnippen, Klatschen, Stampfen, Klopfen nichts und noch weniger das Kreischen.

Two hands clap and there is a sound. What is the sound of one hand?

Die Aufführung schwächelte zudem auch hinsichtlich mancher Darstellungskünste. Richtig überzeugen konnte vom sechsköpfigen Ensemble einzig Futurelove Sibanda, der tatsächlich den Groove intus hat. Richtig gut war auch die Bühne von Karoline Hogl und Hannes Röbisch. Nervend hingegen so manch dramaturgische Einfälle, wie z.B. das militärische Marschgedröhns, das wie eine Ewigkeit anmutete, aber auch die Liebes- und Eifersuchtssequenz, die in erste Linie schrill und auch etwas unbeholfen daherkam. Auf den Mut dem Rhythmus der Stille oder dem „Sound of One Hand Clapping“ folgen zu dürfen, wartete man hingegen vergeblich.

Manfred Horak, Kulturwoche, 26.09.2017


Gibt es Gott? Und wenn ja wie viele?

„Gott und die Welt“ – eine philosophische humorvolle Performance mit Tanz und Livemusik der „schallundrauch agency“ im Dschungel Wien

Selten so viel gelacht bei einem hochphilosophischen Thema. In ihrer bewährten, irgendwie einzigartigen Weise thematisiert die Performance-Gruppe „schallundrauch agency“ diesmal „Gott und die Welt“. Humorvoll werden Grundfragen nach der Entstehung der Welt, der (Nicht-)Existenz von Göttern – und Göttinnen – stark rhytmisiert schauspielerisch, tänzerisch, musikalisch in Szene gesetzt. Ganz ohne Aufforderung klatschten die Kinder bei der Vorstellung die der KiKu-Reporter besuchte spontan mit. Und stimmten gegen Ende bei der „Konzil“-Szene selbst für die Performer_innen überraschend ab. Eine sehr unterhaltsame, inhaltsreiche Stunde, bei der alle Kinder und jungen Jugendlichen sowie die Erwachsenen die ganze Zeit voll dabei waren und mitgingen.

Von König der Löwen zu Gott/Göttern/Göttinnen

Zwischen einem Hochsitz wie er von Ballsportarten übers Netz (Tennis, Badminton, Volleyball) bekannt ist, einer Hängematte, die mit Decken und Matten gefüllt ist, einer Gitarre und einem Tisch, auf dem drei Akteur_innen sitzen und der vierte auch noch Platz finden will, starten die vier mit einem unhörbaren zwanglosen Geplauder, erheben sich und beginnen zu singen – den „Circle of Life“-Song Elton Johns für den Disney-Film „König der Löwen“. Diese lassen sie nahtlos übergehen in ein lebensfrohes Lied, das Anklänge an heitere Kirchenchöre afrikanischer Messen hat und mit dem sie das Publikum begrüßen. Ich glaube ans Singen, daran dass die erste Palatschinke nie was wird, dass 13 eine Glückszahl ist...bringen den ersten Einstieg ins Thema als solches.

Persönliches

Wie immer bringen die Akteur_innen – René Friesacher, Elina Lautamäki, Gabriele Wappel, Martin Wax – viel Persönliches in den Entstehungsprozess des Stückes, den sie auch kurz auf offener Bühne Preis geben, ein: Vom verstorbenen Opa und dem Kater Iwan, vom Dasein als Sängerknabe, der Fähigkeit überall und jederzeit einschlafen zu können...Für die in den Erzählungen vorkommenden Figuren reichen oft Decken, eine Matte, ein Stock usw. Hin und wieder wird von solchen geschilderten Begebenheiten der Bogen zum Grundthema hergestellt. „Welcher Gott denkt sich so was aus?“ wie den Tod des geliebten, hilfsbereiten Opas?

Von Begegnungen in Kirchen (Christentum), einer Synagoge (Judentum), einer Moschee (Islam) sowie mit Buddhisten, der Frage nach Gott, Göttern oder auch Göttinnen und nicht zuletzt jener nach der Entstehung der Welt werden aufgeworfen, hin und her gespielt. Am Anfang war das Nichts, aus dem Alles wurde, als das Nichts sich schief legte ist beispielsweise eine der Thesen.

Schokoregen

Und was, wenn es ihn/sie gäbe – was stünde auf der Wunschliste von deren Aktivitäten? Alle Menschen müssten mit Superkräften ausgestattet werden. Es sollte jeden Tag Schokolade regnen, alle Abgase würden nach Blumenduft riechen, alle Tiere wären heilig.

Abstimmungen

Als einer erzählt, bei einem Radausflug Gott getroffen zu haben, bricht eine offene Debatte, ja sogar ein Streit mit Kampfansätzen aus – Ja?! Nein, kann nicht sein! Vielleicht? Lösung: ein Konzil muss her – das Wort wird nicht erklärt, sonder einfach dargestellt – Zusammensitzen in feierlichem Rahmen und Standpunkte austauschen – oder einfach sagen. Und dann darf das Publikum abstimmen. Darüber, ob das sein könnte. Darüber auch, wie die Welt entstanden sein könnte, ob das Huhn vorm Ei da war und ob ein Butterbrot immer auf die Butterseite falle. Wie auch immer: Des Konzils weise Entscheidung: Jede/r kann glauben, was sie/er will! Und: „Wir wissen nicht viel über das Universum, aber wir freuen uns über Gott und die Welt und über euch und uns!“ schließt sich der musikalische Kreis zum Stückbeginn.

Heinz Wagner, KinderKurier, 22.09.2017


Rettung des Weltfriedens

Die schallundrauch agency, gegründet von Gabriele Wappel und Janina Moser-Sollmann, macht Stücke für alle. In der letzten Spielzeit im Dschungel hatte „Ball, Baum, Taube“ für Menschen ab eineinhalb Jahren Premiere. Und die „Rauchpause“ für Menschen ab 12. Beide Produktionen wurden in den diesjährigen Spielplan übernommen. Bei „Gott und die Welt“, der neuen Produktion, geht’s um, naja, um Gott und die Welt. Die Theaterperformance zur Spielzeit-Eröffnung am Dschungel für Menschen ab 6 führt vom Hundertsten zum Tausendsten. Dementsprechend ausufernd geraten die Themen der 50-minütigen Performance. Regisseurin Wappel steht mit René Friesacher, Elina Lautamäki und Martin Wax auf der spartanisch und provisorisch mit Requisiten vorbereiteten Bühne. Sie setzen mit einem Welcome-Song der süßesten feel-good Sorte ein. Und driften sofort ab ins teils Autobiographische, teils Philosophische.

Ein trockener Humor, den insbesondere Wappel mit ungeniert Wienerischem Akzent stets auf den herausragenden Punkt bringt, verbindet die inhaltlisch oft weit auseinander liegenden Sequenzen miteinander. Ausgehend von der Hinterfragung von christlichen Ritualen kommen die Darstellenden auf ihre Liebe zu Katzen zu sprechen, veranstalten ein Konzil zur Versöhnung verschiedener Glaubensrichtungen und musizieren, das alles immer in Hinblick auf Weltfrieden. Ein Einfall jagt den anderen, mal zündet die Pointe, mal wieder nicht, aber das macht nichts, schallundrauch agency gehen auf Augenhöhe mit dem Publikum, die sprunghaft-spartanische Dramaturgie vermittelt ein glaubhaftes Interesse.

Theresa Luise Gindlstrasser, Junge Kritik, 22.09.2017


Dschungel: Gelungener Saisonbeginn

Mit einem doppelten Premierenabend eröffnete der Dschungel, das Theaterhaus für junges Publikum, die neue Saison 2017/18. Etwas großzügig ausgedrückt, kann gesagt werden, dass die beiden Compagnien – schallundrauch agency und Theater foXXfire! – den Breitengrad des Dschungel abdecken. Der Längengrad wird im Lauf der Saison vermessen. „Gott und die Welt“ nennen schallundrauch die neue Performance mit Tanz, Theater und Livemusik; „Groove!“ ist der Titel des auf den Rhythmus fixierten Tanztheaters von foXXfire! Das Premierepublikum, mehrheitlich aus den angepeilten Zielgruppe herausgewachsen, zeigte sich von beiden Uraufführungen begeistert.

Schallundrauch agency, 2003 von Gabriele Wappel und Janina Sollmann (inzwischen verheiratete Moser) gegründet, hat sich zu einer der erfolgreichsten Performance-Gruppen für junges Publikum entwickelt. Nahezu alle Crew-Mitglieder sind an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MuK / früher Konservatorium der Stadt wien) ausgebildet und haben eine solide Basis für ihre Arbeit auf der Bühne. Zahlreiche Preise bestätigen das.

Ihr Zugang zu den Stücken für unterschiedliche Arbeitsgruppen, vom Baby bis zu Teenagerinnen, ist ein autobiografischer, was ihre frei gesprochenen Texte von Stelzen und Bandagen befreit, sodass sie das Publikum direkt ansprechen und von diesem auch verstanden werden. Leicht fällt es den Performer*innen, glaubhaft und authentisch zu sein. Dennoch sind die Themen der schallundrauch agency genauestens recherchiert und im Proben- und Diskussionsprozess sauber durchdacht. So wagen sie sich auch an das Thema Religion und Glaube heran. Dabei wird gleich zu Beginn klar gemacht: „Über Gott und die Welt sprechen, bedeutet, über alles oder nichts zu reden.“ Das tun sie dann auch. Spielen auf der Leiter selber Gott oder Göttin, singen wie die Engel, heulen wie die Wölfe und schlafen dann ein. Sind Buddhisten, rollen den Gebetsteppich vorsichtig aus und erzählen von der Liebe im Kindergarten, wenn sich die blonden Haare von Kati in Renés Kakao senken. Im reduzierten Bühnenbild, wo die Oma von einer karierten Decke symbolisiert wird und er Opa mit dem Gehstock gleichgesetzt, bewegen sich Gabriele Wappel, Elina Lautamäki samt Querflöte, René Friesacher und Martin Wax mit lockerer Konzentration, sparen nicht mit Scherz und Ironie und lassen der eigenen Fantasie schrägen Lauf, ohne die der Zuschauerinnen einzukasteln (wie es die „großen“ Regisseure so gern tun). Das nach Gott oder den Göttern forschende Quartett stellt keine Thesen auf, verkündet keine Dogmen und hämmert keine Gebote in Stein, regt aber bei aller Lockerheit zum Diskutieren und Denken an und findet traumwandlerisch entlang des selbst geflochtenen Fadens wieder sicher aus dem Labyrinth. Am Ende einer höchst anregenden Stunde tagt das Konzil und entscheidet mit Hilfe des Publikums schlau, wie einst König Salomon: Wassergötter können schwimmen, Feuergötter vermeiden das eher, der Jesusgott geht oben drüber und jede(r) darf glauben was sie (er) will. Ich glaube, schallundrauch agency ist eine der besten, genauesten, unterhaltsamsten, vielseitigsten (oder heißt es meistseitigen?) ... Performancegruppen in Österreich. In der Liste der Spielorte sind deshalb nicht nur Orte wie Horn oder Innsbruck zu finden, sondern auch Peking und Utrecht.

Soweit gereist sind die vier jungen Frauen + zwei Männer vom foXXfire Theater vermutlich noch nicht, obwohl sich ihre nahezu wortlose Performance bestens auch für eine Tournee eignen würde. Die sechs für das Theater foXXfire! vom neuen Leiter Richard Schmetterer ausgesuchten jungen Tänzer*innen wurden von Karo Hogl so ansprechend und fantasievoll eingekleidet, sodass schon jedes Kostüm allein eine Geschichte erzählt. Auch für die praktikable Bühnenausstattung ist Hogl verantwortlich. Neben Regisseur Schmetterer hat Melanie Hunger als Choreografin mitgewirkt. „Groove!“ (bissel viel Rufzeichen bei foXXfire!) ist ein Klopf-, Klatsch-, Stampf-, Schnalz-, Schnipp-, aber auch Quietsch-, Kreisch- und Schnatter-Stück über Formen, Möglichkeiten und Vorkommen von Rhythmus. Am Schönsten ist die Vorstellung, wenn der Rhythmus aussetzt und Stille herrscht. Dies ist, im Gegensatz zur Vorstellung, viel zu kurz. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Entwicklung dieser 70 Minuten und auch die präzise Performance den Mitwirkenden viel Freude bereitet hat. Deshalb wird jeder Take gewalzt und gepresst, bis nix mehr drin ist. Inhaltlich wäre aus der Tatsache, dass Rhythmus nicht nur eine musikalsiche Struktur ist, sondern auch den Alltag bestimmt, mehr herauszuholen. So bleibt es bei der Behauptung. Doch unversehens passieren auch kleine Geschichten: Der Herzrhythmus führt zur Liebes- und Eifersuchtsszene, der Marschrhythmus in den Krieg. Vor allem aber geben sich die Mitwirkenden ihrer Lust am gemeinsamen Schlagen, Trommeln, Treten und Trampeln hin. Um die Eintönigkeit der kollektiven Rhythmik zu unterbrechen, darf der erfahrene Darsteller Futurelove Sibanda eine Clownnummer zeigen. Ich merke schon, dieses Stück ist für Schüler*innen (ab 13) entwickelt und wird vermutlich erst vollständig, wenn ein Gruppe sich ein vorbereitendes oder auch nachbereitendes Workshop gönnt.

Ditta Rudle, Tanzschrift, 22.09.2017


Gott und der Groove

Zur Spielzeit – Eröffnung im Dschungel singen die Göttinnen und klatschen die Fabriksarbeiter

Der Dschungel, das Theaterhaus für junges Publikum im Muserumsquartier, eröffnet gleich mit zwei Premieren. Einmal von der seit 2003 emsig produzierenden schallundrauch agency. Einmal von Theater foXXfire!, einer 1991 von Dschungel-Intendantin Corinne Eckenstein gegründeten Plattform.

Zwischen den Premieren Sektbuffet und eine fröhliche Ansprache zum Beginn von Eckensteins zweiter Spielzeit. Die neue Leiterin erzielte in ihrer ersten Saison eine Auslastung von rund 83 Prozent, damit liegt sie etwa gleichauf mit ihrem Vorgänger Stephan Rabl.

Die schallundrauch agency, gegründet von Gabriele Wappel und Janina Moser-Sollmann, macht Stücke für jede Altersgruppe. In der letzten Spielzeit hatte „Ball, Baum, Taube“ für Menschen ab eineinhalb Jahren Premiere. Ab 1. Oktober steht die musikalische Stadterfahrung wieder am Dschungel-Spielplan. Bei der neuen Produktion „Gott und die Welt“ (ab 6 Jahren), geht’s um, naja, halt um Gott und die Welt. Dementsprechend ausufernd geraten die Themen der 50-minütigen Performance.

Regisseurin Wappel steht mit René Friesacher, Elina Lautamäki und Martin Wax auf der spartanisch und provisorisch mit Requisiten vorbereiteten Bühne. Sie setzen mit einem Lied der Feel-good-Sorte ein. Und driften sofort ab ins teils Autobiographische, teils Philosophische. Trockener Humor verbindet die inhaltlich oft weit auseinander liegenden Sequenzen. Ausgehend von der Befragung christlicher Rituale, kommen die Darsteller auf ihre Liebe zu Katzen zu sprechen, veranstalten ein Konzil zur Versöhnung diverser Glaubensrichtungen und musizieren, das alles immer in Hinblick auf den Weltfrieden. Ein Einfall jagt den anderen, nicht jede Pointe zündet. Was jedoch nichts ausmacht. Die Gruppe agiert mit ihrer sprunghaft-spartanischen Dramaturgie auf Augenhöhe mit dem Publikum.

Die schallundrauch agency ist im Lauf der Spielzeit noch mit „Rauchpause“, einem Stück über Sucht und Sehnsüchte (ab 12), im Dschungel vertreten.

Ein weiterer künstlerischer Fixpunkt ist Theater foXXfire!. Mit „Blutsschwestern“ (ab 13), „Dumpfbacke“ (ab 6) und „Dreihundertfünfundsechzig+“ (die Koproduktion mit theaternyx für Menschen ab 13 ist für den Stella, den Kunstpreis für junges Publikum nominiert), stehen gleich drei Produktionen am Spielplan.

Aber dann war da noch „Groove!“. Eine aggressive Percussion-Show auf goldglänzender Bühne für Menschen ab 13 von Richard Schmetterer (Regie und musikalische Leitung) und Melanie Hinger (Choreografie). Erst Roboter-Motorik und Fließbandarbeit-Assoziation. Dann ausgiebig militärische Ästhetik. Während die einen immer weiter trotten, finden zwei in Liebe zueinander. Brechen aus dem sturen Rhythmus aus, werden wieder eingefangen, das Leben geht weiter, aufstehen, Kinder zeugen, sich ins Grab leben. Dazwischen: ein bisschen klatschen und trommeln. Wenn das mal nicht ein Hohelied auf das Leben im Kapitalismus ist. Der Rhythmus an sich bleibt bestehen, Erlösung gibt’s nur im Privaten.

Rhythmus, Trommeln, Tanz, alles à la „Stomp“, bloß die Kostüme nehmen farblich Anleihe bei der Show der „Blue Man Group“. Die Moral der Geschichte sei hiermit verraten: Alles ist Rhythmus und Rhythmus ist so viel Verschiedenes. Das leere Spektakel verballert 60 Minuten lang vorhersehbare Effekte. Dennoch: Der Rhythmus stimmt, die sechs Darstellenden verausgaben sich punktgenau.

Theresa Luise Gindlstrasser, Wiener Zeitung, 22.09.2017